Jobshadowing in London – Schülerförderung mal anders
Im Rahmen unseres KA1 Projekte INTENT hatte ich die Möglichkeit ein 2,5 wöchiges Jobshadowing bei einer spannenden gemeinnützigen Organisation in London. Jobshadowing bedeutet, dass ich den Kollegen dort über die Schulter geschaut habe und mich von deren Projekten und ihrer Arbeit inspirieren lassen durfte. Meine Gastgeber waren 15billion ebp – eine Organisation im Osten Londons, die Schulen im Stadtteil Borough of Newham dabei unterstützt, SchüleInnen auf den Übergang in die Berufswelt vorzubereiten. Dies ist im Borough of Newham von besonderer Bedeutung, da es einer der einzigen beiden Stadteile von London ist, in denen ethnische Minderheiten die Bevölkerungsmehrheit stellen. Obwohl Kinder hier nur ca. 20 Minuten U-Bahn Fahrt von Canary Wharf – einem der bedeutendsten Wirtschaftszentren dieser Welt – entfernt leben, wachsen sie häufig in traditionellen Familienkreisen auf und sind in ihrem sozialen Umfeld eher mit gering qualifizierten Berufsfeldern konfrontiert. Manche dieser Kindern waren noch nie in ihrem Leben im ca. 7km entfernten Canary Wharf oder in der Londoner Innenstadt (ca. 10km).
15 billionebp bringt Schulen, Arbeitgeber und andere Partner zusammen, um junge Menschen zu inspirieren und ihnen zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten und sich Ziele für ihr Berufsleben zu setzten. Während meiner Anwesenheit in London konnte ich 2 Initiativen von 15 billion ebp näher kennenlernen, die mich sehr inspiriert haben. In beiden Fällen wird eng mit namhaften, global agierenden Unternehmen zusammengearbeitet (z.B. Finanzinstitute wie Deutsche Bank, HSBC und Barclays, der Anwaltssozietät Clifford Chance oder dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG).
Projekttag Boss-Day in Schulen: Mitarbeiter aus Unternehmen kommen für einen Tag in die 10. Klassen einer Schule und erarbeiten mit Schülern Bewerbungsunterlagen und bereiten sie auf Vorstellungsgespräche vor. Anders als in Deutschland ist das Verfassen von Bewerbungen nicht Teil des Lehrplans in Großbritannien. Während des Boss-Days wird versucht, die Schüler so gut wie möglich auf die realen Anforderungen der Geschäftswelt vorzubereiten. Zum Abschluss wird mit jedem Schüler ein Probevorstellungsgespräch geführt. Ich konnte glücklicherweise an 2 BOSS-Days teilnehmen. Einmal wurden ca. 180 Schüler in Gruppen à 15 Personen von 12 Unternehmensvertretern betreut. In der anderen Schule waren unglaubliche 102 Mitarbeiter der Deutschen Bank vertreten, die mit den Schülern einen kompletten Tag im Einzelcoaching gearbeitet haben. Soviel Engagement von Seiten eines Unternehmens und diese Erfahrung für Schüler war für mich ein ganz besonderes Erlebnis!
Mentoring Programm: Ausgewählte, besonders gute Schüler (oberes Drittel) erhalten für ein Schuljahr eine/n MentorIn aus der Praxis. Während dieses Jahres finden 4 durch 15billion ebp organisierte Treffen zwischen den Mentoren und Mentees abwechselnd in der Schule sowie im Unternehmen der Mentoren statt. Diese Treffen sind inhaltlich strukturiert und moderiert durch 15billion. Zwischen den Terminen haben die Schüler die Möglichkeit über eine Onlineplattform mit ihren Mentoren in Kontakt zu treten. Während meiner Zeit in London konnte ich einen Termin miterleben, bei dem 25 Mentees zu ihren Mentoren in den Hauptsitz von Clifford Chance in Canary Wharf eingeladen wurden. Das Erlebnis war selbst für mich – nach einigen Jahren europäischer Berufserfahrung – beeindruckend. Ein Wolkenkratzer mit Empfangsschalter und Sicherheitskontrolle, für die man Besucherausweise ausgestellt bekommt, eine Fahrt in einem Express Aufzug und dann ein atemberaubender Blick aus dem 32. Stock über die Themse und den Südosten Londons!
An dieser Stelle habe ich verstanden, was der Leiter von 15billion ebp meinte, als er zu mir sagte, dass es teilweise nicht nur darum geht Schülern Inhalte zu vermitteln – man muss ihnen zeigen, was sie für Möglichkeiten haben. Wünsche wecken und sie dazu bringen, große Träume für ihre Zukunft zu haben. Mit einem guten Schulabschluss steht diesen Kindern Tür und Tor offen und sie haben jegliche Chancen auf dem Berufsmarkt – was ihnen aufgrund ihres sozialen Umfelds häufig gar nicht bewusst ist. Doch das Engagement der ortsansässigen Unternehmen zeigt, dass großes Interesse da ist, die lokale Jugend zu fördern und zu beschäftigen.
Als Wirtschaftspsychologin mit Interessenschwerpunkt in der Personalentwicklung und Mitarbeiter(aus)bildung ist dieses Mentoring Programm eine Idealbeispiel für Kooperation zwischen Schulen und der freien Wirtschaft, um junge Menschen auf den Beruf vorzubereiten und erste Schritte in Erwachsenenleben zu erleichter. Gleichzeitig haben Unternehmen jedoch auch die Möglichkeit am Puls der Zeit zu bleiben und junge Menschen für ihre Berufsfelder zu begeistern, während Mitarbeiter sich als Mentoren „austoben“ können. Für meine weitere Arbeit nach meiner Rückkehr nach Deutschland, habe ich nun die Vision, in unserer Region ein Mentoren-Programm zwischen Schulen und ansässigen Unternehmen aufzubauen.